„Ich bin weder Psychopath noch bin ich sonstwie krankhaft veranlagt! Meine einzigste Krankheit ist: ich bin wahrheits-, gerechtigkeits- und freiheitsliebend.“ Ernst Putzki

Ernst
Putzki

Ernst Putzki

Schritt 1 - Klassifizierung

„Ich bin weder Psychopath noch bin ich sonstwie krankhaft veranlagt! Meine einzigste Krankheit ist: ich bin wahrheits-, gerechtigkeits- und freiheitsliebend.“ Ernst Putzki

Ernst Putzki, geb. am 15.03.1902 in Mettmann

Ernst Putzki kam aus einer kinderreichen Familie. Wegen der schwierigen finanziellen Situation musste er gleich nach Abschluss der Volksschule in Hagen als Arbeiter in einer Fabrik anfangen. 1919 war er ein paar Monate beim Militär. Er selbst behauptete, sich „hauptsächlich aus Abenteuerlust“ gemeldet zu haben. Als sein Vater unerwartet noch im selben Jahr starb, verließ Ernst die Armee und wurde als Wanderarbeiter tätig. Er blieb nie lange an einem Ort, sondern verdiente seinen Lebensunterhalt als Tagelöhner in Berlin und in verschiedenen Städten in Pommern und auf Rügen. Im Laufe der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren verlor er seinen Job. Dazu kamen gesundheitliche Probleme: Er hatte manchmal so heftige Rückenschmerzen, dass er sich nicht von selbst bewegen konnte.

Mit der Zeit begannen die Behörden, sich für Ernsts Lebensstil und Weltanschauung zu interessieren. Seit der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden Landstreicher, Bettler, Langzeitarbeitslose und später auch Menschen mit Behinderungen zu Opfern der Nazipropaganda. Sie wurden als „Asoziale“ und als Belastung für das „gesunde Volksgewebe“ gesehen.

Ernst musste sich jahrelang Therapien in verschiedenen Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeheimen unterziehen. Doch das schwere Schicksal konnte seinen Willen nicht brechen. Er protestierte weiterhin aktiv gegen das System und forderte, dass seine Rechte eingehalten werden. Wegen seiner offenen Kritik am Staat wurde er erneut in einer Anstalt eingesperrt – diesmal unter dem Vorwand einer psychischen Krankheit.

Im November 1944 wurde Ernst in die Nervenheilanstalt in Hadamar gebracht. Dort befand sich seit 1941 eine staatliche Tötungsanstalt. In den Gaskammern in Hadamar wurden Menschen umgebracht, die im Rahmen der sogenannten Aktion T4 als psychisch „erbkrank“ eingestuft worden waren. Auch nach Ende der Aktion ließ man in dieser Einrichtung bis zum Kriegsende Patienten an Entkräftung sterben. Offiziell starb Ernst Putzki am 9. Januar 1945 an einer Lungenentzündung. Somit wurde er zu einem der 300.000 Opfer, die von den Nazis aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung getötet wurden.

Foto czarno-biale Ernt Putski

 

 

Ernst Putzkis Brief an seine Mutter. Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen
Ernst Putzkis Brief an seine Mutter.
Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands
Hessen
Zeichnung von Ernst Putzki. Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen
Zeichnung von Ernst Putzki.
Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands
Hessen
Zeichnung von Ernst Putzki. Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen
Zeichnung von Ernst Putzki.
Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands
Hessen
Zeichnung von Ernst Putzki. Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen
Zeichnung von Ernst Putzki.
Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands
Hessen

Hadamar

Im hessischen Hadamar befand sich die Euthanasieanstalt Hadamar. Vor dem Zweiten Weltkrieg war sie eine Nervenklinik, wurde aber im Laufe des Krieges in eine Tötungsanstalt der Aktion T4 umgewandelt. In der Anstalt wurden Massenmorde an Menschen verübt, die unter Behinderungen und Krankheiten litten oder als krank eingestuft wurden. Von Januar 1941 bis März 1945 wurden dort fast 15.000 Menschen ermordet. Ihre Leichen wurden in Massengräbern auf einem speziell zu diesem Zweck angelegten Friedhof bestattet.

Deutsches Propaganda-Plakat, um 1938.

Deutsches Propaganda-Plakat, um 1938

Deutsches Propagandaplakat um 1938: Dieser an Erbkrankheiten leidende Mensch kostet die Öffentlichkeit zu Lebzeiten 60.000 Reichsmark. Mitbürger, es ist auch Ihr Geld!

Klassifizierung

In dieser Phase wird die Gesellschaft in gegensätzliche Gruppen geteilt: „wir“ und „sie“ („die anderen“), z. B. Deutsche und Juden.
Diesem Prozess kann man entgegenwirken, indem man auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen aufmerksam macht und diese pflegt. Das könnten beispielsweise gemeinsame Werte, Traditionen oder Erfahrungen sein. Sinnvoll ist es auch, Räume zu schaffen, in denen die Gruppen ins Gespräch kommen können, z. B. Selbsthilfegruppen oder Initiativen gegen Hassrede und gesellschaftlichen Ausschluss.


Was ist der Bezug dieser Geschichte zu den Phasen des Völkermordes?

Die Nazis wollten eine homogene, rein „arische“ Gemeinschaft erschaffen. Das Aussehen, Verhalten und die Lebensweise der Menschen sollten bestimmten Vorstellungen entsprechen. Darin war kein Platz für Menschen, die aufgrund ihrer Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung, Behinderung, Krankheit, Lebensweise oder Weltanschauung nicht in dieses Bild passten. Die Lebensentscheidungen von Ernst Putzki, seine Wanderschaft und die Liebe zur Freiheit und Unabhängigkeit machten ihn aus Sicht der Nazis zu einem Staatsfeind. Er wurde zum Sündenbock, Häftling und letztendlich zum Opfer des nationalsozialistischen Systems. Ernst wurde geächtet und systematisch von der Gesellschaft isoliert. Seine Versuche, sich zu verteidigen, waren zum Scheitern verurteilt; Menschen, die als „asozial“ eingestuft worden waren, galten als Belastung für das deutsche Volk. Sie hatten nur sehr selten die Chance, der Verfolgung und dem Tod zu entgehen.

Menschen mit Behinderungen – die größte Minderheit der Welt.

Magda Szarota, Behinderungsforscherin, Menschenrechtsaktivistin, Vorstandsmitglied bei der Stiftung Humanity in Action Polska

Aktion T4

Die Aktion T4 war ein staatliches Programm des Dritten Reichs in den Jahren 1939-1944. Sein Ziel war es, Menschen mit chronischen Krankheiten, psychischen Störungen und körperlichen Behinderungen zu beseitigen. Da die Aktion inoffiziell war, ist es schwierig, die genaue Opferzahl zu bestimmen. Es wird angenommen, dass in den Jahren 1939-1945 ca. 200.000 Menschen umgebracht wurden. Es war der erste Massenmord der Nazis. Dabei probierten sie erstmals die Tötungsmethoden aus, die später in den Konzentrationslagern zum Einsatz kamen. Die Abkürzung „T4“ leitet sich von der Adresse ab, an der sich die Zentrale der Aktion befand, nämlich Tiergartenstraße 4 in Berlin.