Izak Goldfinger wurde 1925 in Tropie geboren. Seine Eltern hatten dort eine große Landwirtschaft. Am Anfang der Besatzungszeit arbeitete er beim Straßenbau. Mit der Zeit verschärften sich aber die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung und die Familie verarmte immer mehr...

Izak
Goldfinger

Schritt 4 - Entmenschlichung

Izak Goldfinger wurde 1925 in Tropie geboren. Seine Eltern hatten dort eine große Landwirtschaft. Am Anfang der Besatzungszeit arbeitete er beim Straßenbau. Mit der Zeit verschärften sich aber die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung und die Familie verarmte immer mehr...

Izak Goldfinger

Izak Goldfinger wurde 1925 in Tropie geboren. Seine Eltern hatten dort eine große Landwirtschaft. Am Anfang der Besatzungszeit arbeitete er beim Straßenbau. Mit der Zeit verschärften sich aber die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung und die Familie verarmte immer mehr. 1941 wurde Izaks Familie ins Ghetto in Nowy Sącz zwangsumgesiedelt. Er wurde zur Zwangsarbeit im Lager Lipie ausgewählt. Man brachte ihn jeden Tag aus dem Ghetto dorthin. Später wurde er ins Arbeitslager Rożnów verlegt, wo er Schwerarbeit leisten musste und oft von den Wächtern gnadenlos geschlagen wurde. Die unmenschlichen Bedingungen und die Arbeit weit über seine Kräfte hinaus stifteten Izak zur Flucht an. Er kam zurück zu seinen Eltern ins Ghetto nach Nowy Sącz. Er wurde aber als Flüchtiger von der Polizei gesucht und gefasst. Daraufhin brachte man ihn ins Arbeitslager nach Muszyna, wo er geschnittene Holzstücke imprägnieren musste. Auch aus diesem Lager wollte er fliehen: Die Flucht hatte er für Silvester 1942/1943 geplant. Aber bevor er seinen Plan umsetzen konnte, wurde das Lager aufgelöst und alle Häftlinge wurden ins Ghetto nach Tarnów gebracht. Im Frühjahr 1943 kam Izak von dort aus ins Arbeitslager nach Szebnie bei Jasło. Er erinnerte sich, dass er dort in einer unbeheizten Stallbaracke untergebracht wurde. Die Bedingungen in dem Lager waren unmenschlich: Es herrschten Hunger und mangelnde Hygiene, es gab Gewalt und körperliche Strafen. Die Häftlinge mussten dort den Fluss Jasiołka bereinigen.

Besonders dramatisch erinnert sich Izak an den Tag, an dem das Lager aufgelöst wurde. Am 4. November 1943 fand eine Selektion statt. Nach dem Appell wurden 28 000 Menschen nackt in Waggons zu je 100 Personen zusammengepfercht. Um ein Uhr nachts fuhren sie los ins Unbekannte, ohne Wasser oder Essen. Die 24-stündige Reise erschien ihnen wie eine Ewigkeit.
Am Morgen des 5. November erreichten sie ihr Ziel – das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Bei der Selektion stand Izak einem Mann in einem weißen Kittel gegenüber. Wie sich später herausstellte, war das Josef Mengele. Izak wurde als arbeitsfähig eingestuft. Ihm wurde der Kopf kahl geschoren und die Nummer 161154 auf den linken Unterarm tätowiert. Das bedeutet Leben. Du darfst hier nicht sterben – sagte der Häftling zu ihm, der ihm die Nummer eintätowierte. Izak musste sämtliche Regeln des Lagers lernen, die sich auf alles Mögliche bezogen: Wie man laufen muss, wie und wann die Mütze abzunehmen ist. In Auschwitz traf Izak einen Freund aus Muszyna wieder, der ihm zusätzliche Essensportionen beschaffte. Der Freund half ihm auch, eine Arbeit zu bekommen, die darin bestand, Leichen ins Krematorium zu transportieren. Diese Erfahrung brannte sich tief in Izaks Psyche ein.

Am 16. Januar 1945, um 4 Uhr morgens, begann die Evakuierung des Lagers. Izak verließ Auschwitz mit einem Todesmarsch und kam nach Mauthausen, wo er eine weitere Nummer erhielt: 125374. Der Alptraum ging von vorne los. Izak musste riesige Granitsteine 186 Stufen hochschleppen. Später wurde er ins Lager Gusen II verlegt, wo er Tunnel ausheben musste. Infolge des Hungers und der schrecklichen sanitären Bedingungen erkrankte er an Typhus und Dysenterie. Als sich die Front dem Lager näherte, wurden die Toten und im Sterben Liegenden vergraben. An seinem 20. Geburtstag lag Izak in einem Massengrab. Hin und wieder kam er kurz zu Bewusstsein. Als er endgültig aufwachte, war er in einem Krankenhaus. Ein Bekannter hatte ihn kurz nach der Befreiung unter den Leichen entdeckt. Wie er selbst sagte: Es war ein Wunder.

1947 ging Izak nach Palästina. Er ließ seine Häftlingsnummer nicht entfernen, obwohl er die Gelegenheit dazu hatte. Sein ganzes Leben lang setzte er sich mit seiner Geschichte auseinander. Er traf sich mit Jugendlichen, veranstaltete Lesungen und Vorträge. Er reiste auch oft in sein geliebtes Nowy Sącz, nach Tropie. Izak Goldfinger starb am 3. Februar 2014 in Tel Aviv.

VERFASSER: Dr. Łukasz Połomski, Sądecki Sztetl

Izaak Goldfinger; Standbild aus dem Film Chai-Życie

Izaak Goldfinger;
Standbild aus dem Film Chai-Życie

Entmenschlichung

Von Entmenschlichung sprechen wir, wenn einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen die Menschlichkeit abgesprochen wird. Das kann z. B. durch den Vergleich zu Tieren, Insekten oder Krankheiten erfolgen. Die Entmenschlichung dient dazu, Menschen die natürliche Abneigung gegen das Töten anderer Menschen zu nehmen. Durch Propaganda wird der dominanten Gruppe vermittelt, dass die anderen „minderwertig“ sind, dass sie „keine Menschen“ sind und somit kein Recht haben, in der Gesellschaft zu leben. Der Opfergruppe hingegen werden Würde und Identität weggenommen. Manchmal sogar ihre Namen, die z. B. im Holocaust durch Nummern ersetzt wurden.
Der Entmenschlichung kann man entgegenwirken, indem man sich offen gegen Hassrede stellt, Hasspropaganda gesetzlich verbietet, Organisationen für illegal erklärt, die eine solche Propaganda verbreiten, und Personen, die Hass- oder andere Gewaltverbrechen begehen, sofort bestraft.


Wie hängt die Geschichte dieser Person mit den Phasen des Völkermordes zusammen?

Die Geschichte von Izak Goldfinger veranschaulicht das Ausmaß der Entmenschlichung und Entwürdigung der KZ-Häftlinge durch die Nazis. Die unmenschlichen Bedingungen, der Hunger, die mangelnde Hygiene, die Gewalt und die körperlichen Strafen in den Lagern sollten die Häftlinge nicht nur körperlich, sondern auch psychisch brechen. Zu diesen entmenschlichenden Maßnahmen gehörten auch der respektlose Umgang mit Verstorbenen, Leichenschändung und die Bestattung in namenlosen Massengräbern. Izak überlebte all diese tragischen Ereignisse. Obwohl sie ihn sein ganzes Leben lang geprägt haben, behielt er seinen Lebenswillen und beugte sich nicht dem Prozess der Entmenschlichung, obwohl ihn die Nummer auf seinem Unterarm täglich daran erinnerte.