Hilda Dajč wurde 1922 in einer wohlhabenden Familie aschkenasischer Juden geboren. Sie lebte zusammen mit ihren Eltern Emil und Augusta und ihrem kleinen Bruder Hans. Vor dem Krieg schloss sie das Gymnasium als eine der Jahrgangsbesten ab und wurde für das Fach Architektur an der Universität Belgrad zugelassen...

Hilda
Dajč

Schritt 5 - Organisation

Hilda Dajč wurde 1922 in einer wohlhabenden Familie aschkenasischer Juden geboren. Sie lebte zusammen mit ihren Eltern Emil und Augusta und ihrem kleinen Bruder Hans. Vor dem Krieg schloss sie das Gymnasium als eine der Jahrgangsbesten ab und wurde für das Fach Architektur an der Universität Belgrad zugelassen...

Hilda Dajč

Hilda Dajč wurde 1922 in einer wohlhabenden Familie aschkenasischer Juden geboren. Sie lebte zusammen mit ihren Eltern Emil und Augusta und ihrem kleinen Bruder Hans. Vor dem Krieg schloss sie das Gymnasium als eine der Jahrgangsbesten ab und wurde für das Fach Architektur an der Universität Belgrad zugelassen. Als die Invasion der Nazis in Jugoslawien 1941 ihre Ausbildung unterbrach, fing Hilda an, ehrenamtlich im jüdischen Krankenhaus in Belgrad zu arbeiten.

In den ersten Monaten der Besatzung wurde ihr Vater Emil Dajč Vizevorsitzender der Vertretung der Jüdischen Gemeinschaft – des repräsentativen Organs der jüdischen Gemeinde in Belgrad. Diese Organisation wurde von den Nazis ins Leben gerufen und übernahm die Aufgaben verschiedener jüdischer Gemeindeverwaltungen, Wohlfahrtsorganisationen und anderer Einrichtungen, die vor dem Krieg existierten und von den Besatzern geschlossen wurden. Wegen der Rolle, die Emil Dajč in der Vertretung der Jüdischen Gemeinschaft spielte, war die Familie in den ersten Monaten der Besatzung kaum von den harten antisemitischen Maßnahmen und Regelungen betroffen, unter denen andere Juden und Jüdinnen in Belgrad zu leiden hatten.

Bis Dezember 1941 wurden die meisten männlichen Juden im Rahmen der sogenannten Geiselmordpolitik getötet: Sie wurden von der Wehrmacht als Rache für Widerstands- und Sabotageaktionen umgebracht. Den verbleibenden jüdischen Frauen und Kindern wurde befohlen, ihre Sachen zu packen und sich beim Judenreferat zu melden – einer Sondereinheit der Polizei in der George-Washington-Straße 23. Dort mussten die ca. 5000 Frauen und Kinder der Polizei die Schlüssel zu ihren Wohnungen übergeben. Anschließend wurden sie in den Pavillon 3 im neu eingerichteten Judenlager Semlin/Sajmište gebracht. Die Funktionäre der Vertretung der Jüdischen Gemeinschaft und ihre Angehörigen mussten dieser Aufforderung eigentlich nicht nachkommen. Trotzdem entschied sich Hilda gegen den Willen ihrer Eltern, freiwillig in das Lager zu gehen, um als Krankenschwester „Menschen in Not“ zu helfen, wie sie es selbst beschrieb.

Wir wissen nicht, wann genau Hilda Dajč ums Leben kam. Es ist aber sicher, dass sie zusammen mit über 6000 jüdischen Frauen, Kindern und älteren Menschen in einer mobilen Gaskammer umgebracht wurde, die im März 1942 im Lager Semlin aufgestellt wurde. Zwischen Ende März und dem 10. Mai 1942 wurden die Häftlinge des Lagers in Gruppen von 50 bis 100 auf ihren letzten Weg zum Friedhof in Jajinci geschickt.

Hilda Dajč vor dem Zweiten Weltkrieg

Hilda Dajč vor dem Zweiten Weltkrieg

Ankunft von Juden im Lager im Judenlager Semlin
Ankunft von Juden im Lager im Judenlager Semlin
Judenlager Semlin vor dem Zweiten Weltkrieg (Hilda war in diesem Lager)
Judenlager Semlin vor dem Zweiten Weltkrieg (Hilda war in diesem Lager)
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Die Karte des Lagers Staro Sajmište (Judenlager Semlin)
Die Karte des Lagers Staro Sajmište (Judenlager Semlin)
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc; Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad
Brief von Hilda Dajc;
Eigentum des Jüdischen Historischen Museums in Belgrad

Organisation

Völkermord ist immer organisiert. Meistens durch den Staat, oft mithilfe von Milizen, die keine direkte Verbindung zur Regierung haben, damit diese später leugnen kann, an dem Prozess beteiligt gewesen zu sein. Sondereinheiten der Armee oder der Milizen werden speziell geschult und bewaffnet. Eine Geheimpolizei überwacht, verhaftet und foltert Menschen, die verdächtigt werden, in der Opposition tätig zu sein.
Um es gar nicht erst zu dieser Phase kommen zu lassen, müssen die Staaten Maßnahmen ergreifen. Sie müssen Milizen für illegal erklären, ihre Mittel auf internationalen Konten einfrieren und den Mitgliedern die Einreise in andere Länder verweigern. Zudem muss es aus rechtlicher Sicht die Möglichkeit geben, in Fällen von Menschenrechtsverletzungen zu ermitteln und Verfahren gegen die Täter*innen einzuleiten.


Wie hängt diese Geschichte mit den Phasen des Völkermordes zusammen?

Hildas Familie war dank der Stellung ihres Vaters privilegiert. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt blieb ihr das Schicksal erspart, das die restliche jüdische Bevölkerung Serbiens erleiden musste. Hilda war also kaum von den harten antisemitischen Maßnahmen und Regelungen betroffen, unter denen andere Juden und Jüdinnen in Belgrad zu leiden hatten. Aber als Freiwillige im Krankenhaus hatte sie jeden Tag mit Opfern organisierter antisemitischer Gewalt zu tun. Und auch ihr Vater, der Vizevorsitzender der Vertretung der Jüdischen Gemeinschaft in Belgrad war, erzählte zu Hause mit Sicherheit von den geplanten Aktionen der Nazis. Obwohl sie aus eigener Erfahrung wusste, was ihr drohte, ging Hilda freiwillig ins Lager Semlin, um sich der organisierten Gewalt zu widersetzen, anderen zu helfen und die eigene Würde zu bewahren.

VERFASSER: Miško Stanišić, Terraforming