„Das Blutbad an Millionen hilflosen Menschen findet inmitten eines allgemeinen, ungeheuren Schweigens statt […] Dieses Schweigen ist nicht länger hinzunehmen […] Wer angesichts eines Mordes schweigt – der wird zum Handlanger des Mörders. Wer es nicht verurteilt – der lässt es zu.“ Zofia Kossak-Szczucka

Zofia
Kossak-
Szczucka

Zofia Kossak-Szczucka

Schritt 6 - Polarisierung

„Das Blutbad an Millionen hilflosen Menschen findet inmitten eines allgemeinen, ungeheuren Schweigens statt […] Dieses Schweigen ist nicht länger hinzunehmen […] Wer angesichts eines Mordes schweigt – der wird zum Handlanger des Mörders. Wer es nicht verurteilt – der lässt es zu.“ Zofia Kossak-Szczucka

Zofia Kossak-Szczucka, geb. am 10.08.1889 in Kośmin

Zofia Kossak-Szczucka kam aus einer bekannten Künstlerfamilie. Ihr Debüt als Schriftstellerin machte sie mit dem Roman „Pożoga“ („Flächenbrand“), in dem sie die Bauernaufstände und den polnisch-sowjetischen Krieg schilderte. In der Zwischenkriegszeit schrieb sie vorwiegend katholisch geprägte Prosa. In ihren Schriften aus den 1930er Jahren betonte sie ihre Abneigung gegen Jüdinnen und Juden, was die ohnehin schon starke Polarisierung zwischen Polen und Juden noch vertiefte. Seit Beginn der deutschen Besatzung engagierte sich Zofia Kossak-Szczucka im Widerstand und in wohltätigen Organisationen.

Trotz ihres religiös motivierten Antisemitismus veröffentlichte Zofia im August 1942, angesichts der Massendeportation der Warschauer Jüdinnen und Juden nach Treblinka, die Schrift „Protest!“. Einen Monat später gründete sie das Provisorische Komitee für Judenhilfe, das später in den Rat für die Unterstützung von Juden „Żegota“ umbenannt wurde. Sie stellte sich somit gegen die fortschreitende Polarisierung der Gesellschaft. Angesichts des Krieges und des Völkermordes wies sie auf das Dritte Reich als gemeinsamen Feind hin und forderte die polnische Gesellschaft auf, sich nicht an dem Mord an Jüdinnen und Juden zu beteiligen.

Im Herbst 1943 wurde Zofia Kossak-Szczucka durch Zufall verhaftet und zunächst nach Auschwitz-Birkenau, 1944 in das berüchtigte Warschauer Gefängnis „Pawiak“ verschleppt. Dort wurde sie zum Tode verurteilt, doch der polnische Widerstand konnte sie befreien. Nach dem Krieg zog sie nach England und war dort weiterhin als Schriftstellerin tätig. 1957 kehrte sie nach Polen zurück und schrieb dort für die katholische Presse. Sie starb am 9. April 1968 und erhielt posthum die Medaille „Gerechte unter den Völkern“.

"Protest!" Die Broschüre von Zofia Kossak-Szczucka. Quelle: Polona
"Protest!" Die Broschüre von Zofia Kossak-Szczucka.
Quelle: Polona
Überreste des Tores von Pawiak. Autor: Thunderman 83. Quelle: Wikipedia
Überreste des Tores von Pawiak.
Autor: Thunderman 83. Quelle: Wikipedia
Warschau, Muranów - das ehemalige jüdische Viertel. Autor: Tomasz Cebulski
Warschau, Muranów - das ehemalige jüdische Viertel.
Autor: Tomasz Cebulski
Warschau, Denkmal der Helden des Ghettos. Autor: Tomasz Cebulski
Warschau, Denkmal der Helden des Ghettos.
Autor: Tomasz Cebulski
Das Pawiak-Gefängnis vor 1939, von der Dzielna-Straße aus gesehen. Quelle: "Tygodnik Ilustrowany", Nr. 41, 13.10.1906, S. 911
Das Pawiak-Gefängnis vor 1939, von der Dzielna-Straße aus gesehen.
Quelle: "Tygodnik Ilustrowany", Nr. 41, 13.10.1906, S. 911
Das Pawiak-Gefängnis im Jahre 1864. Quelle: D. Kobielski "Warszawa na fotografiach z XIX wieku", Wydawnictwo Artystyczno-Graficzne, Warschau 1970, S. 122
Das Pawiak-Gefängnis im Jahre 1864.
Quelle: D. Kobielski "Warszawa na fotografiach z XIX wieku", Wydawnictwo Artystyczno-Graficzne, Warschau 1970, S. 122

Polarisierung

In dieser Phase differenzieren sich die Haltungen der Angehörigen bestimmter Gruppen gegenüber bestimmten Problemen. Die Extremisten spalten die Gesellschaft durch Hasspropaganda. Dadurch entstehen in der Regel zwei Partien – eine ist für die genannte Lösung eines gesellschaftlichen Problems, die andere dagegen. Die Polarisierung schürt oft gesellschaftliche Konflikte und lässt sie mit der Zeit eskalieren. Der Völkermord kann am ehesten von den Mitgliedern der Tätergruppe aufgehalten werden, die gemäßigte Ansichten haben. Deshalb werden gerade sie oft als Erste verhaftet und ermordet. Die dominante Gruppe beansprucht uneingeschränkte Macht für sich. Ausnahmezustände werden eingeführt, Dekrete erlassen, Bürgerrechte und Freiheiten eingeschränkt. Die Opfergruppe wird demilitarisiert, damit sie sich nicht wehren kann. So ergreift die dominante Gruppe die volle Kontrolle.
Um Polarisierung zu verhindern, müssen Menschenrechtsorganisationen und -initiativen unterstützt werden und internationale Sanktionen verhängt werden.


Was ist der Bezug dieser Geschichte zu den Phasen des Völkermordes?

In den 1930er Jahren trug Zofia Kossak-Szczucka mit ihren Texten zu einer Vertiefung der Spannungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Teilen der Bevölkerung bei. Genau durch solche Handlungen eskalierten die Konflikte zunehmend und die Haltung der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Jüdinnen und Juden wurde immer feindseliger. Doch Zofia reflektierte ihre antisemitische Einstellung infolge ihrer Kriegserfahrungen und der Beobachtung der Politik der Nazis. Sie erlebte einen geistigen Wandel und machte sich ab 1942 stark gegen die Polarisierung der Gesellschaft. Nicht nur schriftlich, indem sie ihren „Protest!“ veröffentlichte, sondern auch durch ganz konkrete Maßnahmen, wie die Gründung von „Żegota“ und tatsächliche Hilfeleistung an viele Jüdinnen und Juden.

Der Rat für die Unterstützung von Juden „Żegota“ war eine Geheimorganisation, die im Dezember 1942 als Teil der sogenannten Regierungsvertretung im Lande entstand. Ihre Aufgabe war es, Jüdinnen und Juden im besetzten Polen zu helfen. Der Rat besorgte ihnen gefälschte Papiere (z. B. Taufscheine), unterstützte sie finanziell und bei der Wohnungssuche, sorgte für medizinische Betreuung und kümmerte sich um jüdische Kinder. Leiterin des Kinderreferats war seit 1943 Irena Sendler, die tausende Kinder aus dem Warschauer Ghetto retten konnte. Im Krieg war „Żegota“ die einzige Untergrundorganisation, die jüdische und nichtjüdische Mitglieder aus verschiedenen politischen Milieus vereinte. Auch die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte die Organisation mit einem Olivenbaum in der „Allee der Gerechten“.