Maria Nowak, geborene Bożek, wurde 1920 in einer Eisenbahnerfamilie in Krakau geboren. Sie ging auf ein Mädchengymnasium, dessen Schülerinnen unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehörten – manche waren katholisch, andere jüdisch oder protestantisch. ..

Maria
Nowak

Schritt 6 - Polarisierung

Maria Nowak, geborene Bożek, wurde 1920 in einer Eisenbahnerfamilie in Krakau geboren. Sie ging auf ein Mädchengymnasium, dessen Schülerinnen unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehörten – manche waren katholisch, andere jüdisch oder protestantisch. ..

Maria Nowak

Maria Nowak, geborene Bożek, wurde 1920 in einer Eisenbahnerfamilie in Krakau geboren. Sie ging auf ein Mädchengymnasium, dessen Schülerinnen unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehörten – manche waren katholisch, andere jüdisch oder protestantisch. Doch die Religion und die Herkunft spielten für sie keine große Rolle, denn sie alle empfanden sich vor allem als Polinnen. Marias beste Freundin war eine Jüdin, Helena Goldstein. Sie blieben auch nach dem Schulabschluss befreundet, obwohl sie danach an unterschiedlichen Hochschulen studierten. Maria studierte Mathematik an der Jagiellonen-Universität, Helena schrieb sich an der Handelshochschule ein. Nach dem ersten Studienjahr unterbrach der Kriegsausbruch ihre Ausbildung. Maria nahm eine Stelle in einem Krakauer Tuchhandel an. Helena und ihre ganze Familie wurden in das Ghetto übersiedelt, das im März 1941 in Krakau eingerichtet wurde. Helenas Vater wurde mit dem ersten Transport aus dem Ghetto ins Vernichtungslager Bełżec verschleppt und dort ermordet.

Marias Vater wusste als Eisenbahner sehr wohl Bescheid über die Züge, die voller Menschen in unbekannter Richtung wegfuhren und dann leer zurückkamen. Maria leitete diese Informationen an ihre Bekannten im Ghetto weiter. Sie half ihnen auch, indem sie Lebensmittel und Medikamente ins Ghetto schmuggelte.
Im Oktober 1942 wurden Helena Goldsteins Mutter und Bruder ins Vernichtungslager Bełżec deportiert und dort ermordet. Als Maria davon erfuhr, beschloss sie, ihrer Freundin zur Flucht aus dem Ghetto zu verhelfen. Sie kaufte eine leere Kennkarte, klebte ein Foto von Helena drauf und schrieb ihre eigenen Personaldaten rein. Dazu legte sie ihren eigenen Taufschein und ihr Abiturzeugnis.

Helena gehörte einer Arbeitsgruppe an, die außerhalb des Ghettos arbeitete. Das erleichterte die Organisation der Flucht. Zum vereinbarten Zeitpunkt kam Maria auf ihre Freundin zu, zog ihr unauffällig die Binde mit dem Davidsstern vom Arm und legte ihr einen Pelzkragen um den Hals. So sollte keiner erkennen, dass Helena Jüdin war. Juden und Jüdinnen war es nämlich durch eine Verordnung vom Dezember 1941 verboten worden, Pelze zu besitzen. Die warme Kleidung, die ihnen konfisziert wurde, sollte dem deutschen Militär zugutekommen.
Nach der Flucht versteckte sich Helena bei Marias Freunden. Später zog sie um nach Warschau. Dank der gefälschten Dokumente, die auf Marias Namen liefen, bekam sie eine Stelle am Warschauer Hauptbahnhof, wo sie Züge auf Deutsch und Polnisch ansagte. Kurz vor dem Ausbruch des Warschauer Aufstands wurde Helena zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt. 1945 kehrte sie zurück nach Krakau. Die beiden Freundinnen fanden sich nach dem Krieg wieder und waren bis zu Helenas Tod befreundet.

Maria schloss ein Studium der Pharmazie mit dem Doktortitel ab. Anfang der 1950er Jahre nahm sie eine Stelle in der Adler-Apotheke von Tadeusz Pankiewicz an, der als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet worden war.

1995 erhielt auch Maria Nowak die Auszeichnung als Gerechte unter den Völkern. 2007 erhielt sie das Komturkreuz des Ordens Polonia Restituta und 2020, an ihrem 100. Geburtstag, die Medaille „Hundert Jahre Unabhängigkeit“.

Viele Jahre lang traf sich Maria Nowak mit Jugendlichen, um ihre Geschichte mit ihnen zu teilen, ihnen Wissen zu vermitteln und sie gegenüber allem Bösen und menschlichem Leid zu sensibilisieren.

Sie starb am 6. November 2020 in Krakau.

VERFASSERIN: Larysa Michalska

Polarisierung

In dieser Phase differenzieren sich die Haltungen der Angehörigen bestimmter Gruppen gegenüber bestimmten Problemen. Die Extremisten spalten die Gesellschaft durch Hasspropaganda. Dadurch entstehen in der Regel zwei Partien – eine ist für die genannte Lösung eines gesellschaftlichen Problems, die andere dagegen. Die Polarisierung schürt oft gesellschaftliche Konflikte und lässt sie mit der Zeit eskalieren. Der Völkermord kann am ehesten von den Mitgliedern der Tätergruppe aufgehalten werden, die gemäßigte Ansichten haben. Deshalb werden gerade sie oft als Erste verhaftet und ermordet. Die dominante Gruppe beansprucht uneingeschränkte Macht für sich. Ausnahmezustände werden eingeführt, Dekrete erlassen, Bürgerrechte und Freiheiten eingeschränkt. Die Opfergruppe wird demilitarisiert, damit sie sich nicht wehren kann. So ergreift die dominante Gruppe die volle Kontrolle.
Um Polarisierung zu verhindern, müssen Menschenrechtsorganisationen und -initiativen unterstützt werden und internationale Sanktionen verhängt werden.


Wie hängt die Geschichte dieser Person mit den Phasen des Völkermordes zusammen?

Maria Nowak war von klein auf mit Menschen verschiedener Herkunft und verschiedenen Glaubens befreundet. Sie betrachtete diese Vielfalt als etwas vollkommen Normales. Als die Spannungen und Konflikte zwischen der jüdischen und nicht-jüdischen Bevölkerung Krakaus eskalierten, ließ sie sich nicht von der antisemitischen Propaganda mitreißen. Als während der deutschen Besatzung in Krakau ein Ghetto eingerichtet wurde, um die Juden und Jüdinnen noch mehr zu isolieren und die Gesellschaft noch weiter zu polarisieren, stellte sich Maria gegen die Gesetze der Besatzer und versuchte stattdessen, ihren jüdischen Freund*innen zu helfen.