„Es ist besser für die Kinder, tote Eltern zu haben als feige.“ Eberhard Helmrich

Donata i Eberhard
Helmrich

Schritt 8 - Verfolgung

„Es ist besser für die Kinder, tote Eltern zu haben als feige.“ Eberhard Helmrich

Donata Helmrich

Donata Helmrich wurde 1900 in Dresden als Donata Hardt geboren. Ihre Mutter Polyxeni, Tochter einer griechischen Familie aus der oberen Mittelschicht, hatte Kunstgeschichte studiert, und ihr Vater Ernst war Theaterautor und Buchübersetzer. Als Donata noch ein kleines Kind war, zog die Familie um nach Weimar. Ernst wurde Direktor am Nationaltheater in Weimar. Später, nach der Scheidung von Polyxeni, die eine Karriere als Kunsthändlerin gemacht hatte, wurde er Leiter des Westdeutschen Rundfunks in Köln. Donatas Tochter Cornelia beschreibt die Atmosphäre ihres Elternhauses als liberal, kulturell anregend, zutiefst demokratisch und fortschrittlich, und ihre Mutter selbst als „temperamentvoll, einfühlsam, blitzschnell im Denken und Handeln“. Donata schloss eine Ausbildung als Englisch- und Französischlehrerin ab und heiratete 1922 ihren ersten Mann, mit dem sie drei Kinder hatte. Das Paar ließ sich aber bald darauf scheiden und 1931 traf Donata ihren zweiten Mann, Eberhard Helmrich. Sie lernte ihn kennen, als sie als Sekretärin und Dolmetscherin arbeitete, um ihre Familie zu ernähren.

Eberhard Helmrich

Eberhard Helmrich wurde 1899 in Hamburg geboren. Er war der Sohn einer Kaufmannsfamilie, hatte Landwirtschaft in München studiert und arbeitete als Verwaltungsberater in der Landwirtschaft. Cornelia beschreibt Eberhard als „einen stillen Mann mit einem ruhigen Lächeln und einer sanften Stimme, die zu einem 194 cm großen Mann nicht passte. Ein sanfter Riese mit einer unglaublichen, angeborenen Autorität.“

Das Paar heiratete im Jahr 1933 und zog in ein Haus in Berlin-Westend. Ein Jahr später kam Cornelia zur Welt. Auch im Krieg war das Haus der Helmrichs immer offen für Gäste und die Nachbarschaft, voller Musik und Lachen. Bereits in den 1930er Jahren halfen Donata und ihre Mutter jüdischen Bekannten, ihren Schmuck ins Ausland zu schmuggeln. Donata nahm jüdische Freund*innen bei sich zu Hause auf, die in Gefahr waren, nutzte ihre Kontakte, um Juden und Jüdinnen zur Flucht aus Deutschland zu verhelfen, und „verlor“ sogar mehrmals ihren Ausweis, damit andere Frauen davon Gebrauch machen konnten.

1941 wurde Eberhard zur Wehrmacht eingezogen und als landwirtschaftlicher Experte ins besetzte Polen geschickt. Dort beschäftigte er ca. 130 junge Juden und Jüdinnen aus dem Ghetto und gewährte ihnen und ihren Angehörigen Zuflucht bei Razzias im Ghetto. Er nutzte auch seine Stellung als Offizier aus, um gefälschte Papiere zu organisieren und jüdische Geflüchtete aus dem Land zu schmuggeln, unter anderem in sein Haus in Berlin, wie es Donata 1942 vorgeschlagen hatte. Donata empfing dort angebliche Bauernmädchen aus der Ukraine, die in Wirklichkeit Jüdinnen waren, und suchte ihnen Stellen als Hausmädchen in deutschen Haushalten. Es ist nicht bekannt, wie vielen Menschen die Helmrichs das Leben gerettet haben, aber Schätzungen sprechen von 70 bis 200.

Nach dem Krieg konnte Eberhard keine Arbeit in Berlin finden und musste nach Hamburg ziehen. Das Paar ließ sich scheiden und 1948 zog Eberhard mit seiner neuen Frau nach New York, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1969 in bescheidenen Verhältnissen lebte. Ein Jahr zuvor, 1968, war er nach Yad Vashem eingeladen worden, um seinen Baum in der Allee der Gerechten unter den Völkern zu pflanzen. Donata fing wieder an, als Dolmetscherin für die deutsche Regierung zu arbeiten. Sie arbeitete unter anderem für namhafte Politiker wie Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, und der Bundespräsident Theodor Heuss. Sie gab ihre Stelle auf, weil da „zu viele alte Nazis“ waren, arbeitete aber als freiberufliche Dolmetscherin, bis sie 82 war. Danach zog sie auf die Insel Sylt, wo sie sich eine kleine Hütte gekauft hatte. Sie starb 1986. 1987 pflanzten ihre Tochter Cornelia und ihr Enkel Tilo auch für sie einen Baum in der Allee der Gerechten.

„Wenn wir beide sterben müssen, aber vorher zwei Menschen gerettet hätten, dann wären wir ‚quitt mit Hitler‘. Jede weitere Rettung wäre aber ein ‚Nettogewinn‘ auf unserer Guthabenseite.“

„Sie wollten einfach normal sein in einer Zeit, in der die Normalität ‚baden gegangen‘ war, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte.“
Cornelia Schmalz-Jacobsen erinnert sich an die Aussagen ihrer Mutter.

Zwei Bäume in Jerusalem

Cornelia Schmalz-Jacobsen, die jüngste Tochter der Helmrichs, wurde Journalistin und Politikerin. Sie war u. a. Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. 2002 veröffentlichte sie das Buch „Zwei Bäume in Jerusalem“, die bewegende Geschichte des Widerstands ihrer Eltern Donata und Eberhard Helmrich gegen den Terror der Nationalsozialisten. Für sie war es völlig natürlich, den verfolgten Juden und Jüdinnen zu helfen und so viele von ihnen wie nur möglich zu retten. Ihre unbeugsame Zivilcourage ist der Beweis dafür, dass es sogar in Zeiten von Diktaturen und blutrünstigen Regimes möglich ist, Leben zu retten.

2021 produzierte Humanity in Action auf der Grundlage des Buches von Cornelia Schmalz-Jacobsen einen kurzen Zeichentrickfilm, „Two Trees in Jerusalem“. Der Film erzählt die Geschichte von Donata und Eberhard Helmrich, die gemeinsam unzählige Juden und Jüdinnen vor dem Holocaust retteten. Donata und Eberhard arbeiteten als Ehepaar gemeinsam mitten im Auge des Sturms, sie in Berlin und er in den blutdurchtränkten Feldern Osteuropas. Sie ergriffen immer kühnere Maßnahmen, um alle Leben zu retten, die sie retten konnten – selbst mit dem Tod im Nacken. Die Geschichte des Paares wird von ihrer Tochter Cornelia erzählt, die bereits im jungen Alter von sechs Jahren in die Geheimnisse der Familie eingeweiht wurde und zu einer inneren Stärke erzogen wurde, die sie später auch als Politikerin und Abgeordnete im Bundestag begleitete. Der Film wechselt immer wieder von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück, um zu zeigen, wie die Erfahrungen, die Cornelia in ihrer Kindheit gemacht hat, ihren späteren Kampf für die Rechte von Migrant*innen als Ausländerbeauftragte der Bundesregierung beei

Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Trees in Yad Vashem- @Humanity in Action
Trees in Yad Vashem- @Humanity in Action
Trees in Yad Vashem- @Humanity in Action
Trees in Yad Vashem- @Humanity in Action
Family photos (Eberhard Helmrich): Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Eberhard Helmrich):
Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Eberhard Helmrich): Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Eberhard Helmrich):
Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Cornelia and Eberhard Helmrich): Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Cornelia and Eberhard Helmrich):
Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Donata Helmrich): Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Donata Helmrich):
Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Donata Helmrich): Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Donata Helmrich):
Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Cornelia Helmrich): Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Family photos (Cornelia Helmrich):
Courtesy of Cornelia Schmalz-Jacobsen
Yad Vashem certificates- From the book "Two Trees in Jerusalem"
Yad Vashem certificates
- From the book "Two Trees in Jerusalem"
Yad Vashem certificates- From the book "Two Trees in Jerusalem"
Yad Vashem certificates
- From the book "Two Trees in Jerusalem"
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action
Two Trees in Jerusalem @Humanity in Action

Verfolgung

In dieser Phase werden die Opfer in Ghettos gepfercht, in Konzentrationslager deportiert oder auf andere Weise der Freiheit beraubt. Dort sind sie praktisch zum Sterben verurteilt, denn ihnen wird absichtlich der Zugang zu Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten usw. verwehrt. Sie werden auch oft zwangssterilisiert, zu Abtreibungen gezwungen oder die Kinder werden ihnen gewaltsam weggenommen. Der Opfergruppe werden systematisch alle Rechte entzogen. Die Menschen werden gefoltert und verschleppt. Der Massenmord beginnt. Die Täter*innen beobachten die Reaktionen der Welt auf ihr Tun ganz genau. Wenn keine Reaktion erfolgt, erkennen sie, dass sie ihre Verbrechen in Ruhe vor den Augen tatenloser Zeug*innen ausüben können.
Um es nicht zur Verfolgungsphase kommen zu lassen, ist eine internationale bewaffnete Intervention notwendig. Wenn möglich, sollten Großmächte, regionale Bündnisse, der UN-Sicherheitsrat und/oder die UN-Vollversammlung herangezogen werden. Auch humanitäre Hilfe seitens der Vereinten Nationen und anderer Organisationen ist unverzichtbar.


Wie hängt diese Geschichte mit den Phasen des Völkermordes zusammen?

Die Helmrichs waren von Anfang an Gegner des Nationalsozialismus, doch je mehr sich die Verfolgung der Juden und Jüdinnen zuspitzte, desto kühner agierten sie. Die Reichspogromnacht war für sie ein Wendepunkt: Ihnen wurde klar, dass sie nicht tatenlos zuschauen können. Sobald Eberhard als Offizier der Wehrmacht in Galizien ankam – einer Region, in der die meisten Juden und Jüdinnen in Europa lebten – verstand er sofort den Ernst der Lage. Die jüdische Bevölkerung war dort bereits gezwungen worden, in Ghettos zu leben, und die Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager hatten schon angefangen. Eberhard baute eine Farm auf. Offiziell sollte sie die SS mit Lebensmitteln versorgen, in Wirklichkeit aber versorgte sie die Juden und Jüdinnen aus dem Lemberger Ghetto mit Wasser, Essen, Medikamenten und gewährte ihnen Zuflucht bei Razzias im Ghetto. Als die SS die Farm schloss und die Deportation aller verbleibenden Juden und Jüdinnen anordnete, begann Eberhard, Papiere zu fälschen und Menschen aus Polen herauszuschmuggeln. Einige Jüdinnen brachte er nach Berlin. Dort nahm Donata sie in ihrem Haus auf, tarnte sie als ukrainische Bauernmädchen und besorgte ihnen Stellen in deutschen Haushalten.