„Blatt war noch bei einigen anderen Verhandlungen [Nachkriegsprozessen der Täter] Zeuge der Anklage. Unter anderem im Prozess des Gestapochefs von Izbica, Kurt Engels. Desselben, der seinem Vater die Dornenkrone aufgesetzt hatte. Tojwełe [Tomasz] putzte damals öfter sein Motorrad. Das war eine tolle Maschine, mit Anhänger und glänzenden Kotflügeln. An den Kotflügeln waren Totenköpfe eingeprägt. Engels wollte, dass diese Totenköpfe auf Hochglanz poliert werden. Tojwełe putzte sie also stundenlang. Das war ein guter Job, weil ihn die Deutschen in Ruhe ließen, wenn er das Motorrad putzte – selbst bei einer Razzia. Engels hatte noch einen anderen jüdischen Jungen da, der für ihn arbeitete, Mojszełe. Er kam aus Wien und kümmerte sich um den Garten. Engels unterhielt sich oft mit ihm über Blumen. Er mochte ihn. ‚Du bist ein guter Junge‘, pflegte er zu sagen. ‚Du stirbst zuletzt und ich erschieße dich persönlich, damit du nicht leiden musst.‘ Blatt gab bei der Untersuchung zu, dass der Gestapomann sein Wort in der Hinsicht gehalten hatte.“ Hanna Krall „Portret z kulą w szczęce” („Portrait mit Kugel im Kiefer“)

Tomasz
Blatt

Tomasz Blatt

Schritt 9 - Vernichtung

„Blatt war noch bei einigen anderen Verhandlungen [Nachkriegsprozessen der Täter] Zeuge der Anklage. Unter anderem im Prozess des Gestapochefs von Izbica, Kurt Engels. Desselben, der seinem Vater die Dornenkrone aufgesetzt hatte. Tojwełe [Tomasz] putzte damals öfter sein Motorrad. Das war eine tolle Maschine, mit Anhänger und glänzenden Kotflügeln. An den Kotflügeln waren Totenköpfe eingeprägt. Engels wollte, dass diese Totenköpfe auf Hochglanz poliert werden. Tojwełe putzte sie also stundenlang. Das war ein guter Job, weil ihn die Deutschen in Ruhe ließen, wenn er das Motorrad putzte – selbst bei einer Razzia. Engels hatte noch einen anderen jüdischen Jungen da, der für ihn arbeitete, Mojszełe. Er kam aus Wien und kümmerte sich um den Garten. Engels unterhielt sich oft mit ihm über Blumen. Er mochte ihn. ‚Du bist ein guter Junge‘, pflegte er zu sagen. ‚Du stirbst zuletzt und ich erschieße dich persönlich, damit du nicht leiden musst.‘ Blatt gab bei der Untersuchung zu, dass der Gestapomann sein Wort in der Hinsicht gehalten hatte.“ Hanna Krall „Portret z kulą w szczęce” („Portrait mit Kugel im Kiefer“)

Tomasz Blatt, geb. am 15.04.1927 in Izbica

Tomasz Blatt wurde als Toivi Hersz Ber Blatt in einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Izbica geboren, einem typischen polnischen Schtetl, das vor dem Krieg zu 90% von Jüdinnen und Juden bewohnt war. Als Teenager erlebte er die Hölle des Durchgangsghettos, das die Nazis in seinem Heimatort gegründet hatten. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Zusammen mit seiner Familie wurde er in das Vernichtungslager Sobibór deportiert. Seine Eltern und sein Bruder wurden dort in einer Gaskammer ermordet. Tomasz bekam eine Stelle in der Lagerwerkstatt. So konnte er überleben und sich aktiv der Vernichtung widersetzen. 1943 nahm er am Häftlingsaufstand von Sobibór teil. Er gehörte zu den Wenigen, die fliehen konnten und das Ende des Krieges erlebten. Nach dem Krieg beschloss Tomasz, Zeugnis über die Vernichtung abzulegen. Er wanderte in die USA aus und arbeitete dort als Journalist. Dabei befasste er sich oft mit dem Thema Holocaust. Für seine Verdienste wurde er mit dem Offizierskreuz des Ordens Polonia Restituta ausgezeichnet. Er starb am 31. Oktober 2015.

Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór. Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór.
Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór. Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór.
Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór. Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór.
Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór. Autor: Tomasz Cebulski
Das ehemalige Vernichtungslager Sobibór.
Autor: Tomasz Cebulski
Izbica, die Heimatstadt von Tomasz Blatt. Autor: Tomasz Cebulski
Izbica, die Heimatstadt von Tomasz Blatt.
Autor: Tomasz Cebulski
Izbica. Autor: Tomasz Cebulski
Izbica.
Autor: Tomasz Cebulski
Izbica. Autor: Tomasz Cebulski
Izbica.
Autor: Tomasz Cebulski

Vernichtung

In dieser Phase kommt es zum Völkermord. Die Täter*innen selbst verwenden diesen Begriff nicht, da sie ihre Opfer nicht als Menschen sehen. Wenn der Staat selbst für den Völkermord verantwortlich ist, sind auch die Streitkräfte daran beteiligt. Manchmal wird aus Rache für einen Völkermord zurückgeschlagen und der Teufelskreis geht weiter. Die Opfer werden erneut entmenschlicht: Ihre Leichen werden oft verstümmelt und in Massengräbern verscharrt. Auch das kulturelle und religiöse Erbe der Opfergruppe wird zerstört.
Einen Völkermord, der bereits angefangen hat, kann nur noch eine schnelle und effektive bewaffnete Intervention aufhalten. Sogenannte sichere Zonen oder Fluchtkorridore, die von internationalen Streitkräften geschützt werden, können das Leben vieler Menschen retten. Gemäß dem Konzept der Schutzverantwortung ist die internationale Staatengemeinschaft seit 2005 verpflichtet, in solchen Situationen zu reagieren, um Menschenleben zu schützen.


Was ist der Bezug dieser Geschichte zu den Phasen des Völkermordes?

Die persönliche Geschichte von Tomasz Blatt und seinem Heimatort Izbica zeigen die verschiedenen Phasen, die letztendlich zum Völkermord führten. Tomasz war sowohl Zeuge, als auch Opfer des Holocaust. Er widersetzte sich der Vernichtung, indem er aktiv am Aufstand von Sobibór teilnahm. Als einer der wenigen Überlebenden dieses Vernichtungslagers legte er Zeugnis ab und sagte vor Gericht gegen die Lagermannschaft aus.

Das Wort Schtetl bedeutet auf Jiddisch so viel wie „kleine Stadt“. Der Begriff wird oft verwendet, um jüdische Siedlungen in Mittel- und Osteuropa zu beschreiben. Dabei handelte es sich meistens um kleine Städte, die zum großen Teil, manchmal sogar mehrheitlich von Jüdinnen und Juden bewohnt waren.