1944 – Politische sowie religiöse Entscheidungsträger und die internationale Gemeinschaft schweigen. Sie sind nicht in der Lage, angesichts der Verbrechen des Dritten Reiches harte Entscheidungen zu treffen. Die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Nachkriegswelt sind ihnen wichtiger als humanitäre Ziele. Es herrscht Gleichgültigkeit. Sogar die Presse schweigt über den Massenmord an Juden und Jüdinnen in Ungarn und Łódź. Auch auf die brutale Niederschlagung des Warschauer Aufstandes reagiert niemand.
August 1944 – Henryk Sławik wird in Gusen, einem Außenlager von Mauthausen, ermordet.
1945 – Kriegsende und Neuaufteilung Europas, die zum Teil das Trauma der Überlebenden noch verschlimmert und es ihnen unmöglich macht, über das Erlebte zu sprechen.
1945-1950 – Wegen fehlender rechtlicher Grundlagen können die Hauptverantwortlichen für den Völkermord nicht vor Gericht gestellt werden. Aus sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gründen wird das langsame Vergessen über die Verbrechen, das Verlangen nach Gerechtigkeit und nach einer kollektiven Erinnerung vorangetrieben. Das Gedenken ist bruchstückhaft und politisch motiviert. Oft werden dabei Berichte von Überlebenden ignoriert oder bewusst abgeändert.
Krystyna Modrzewska überlässt ihr Tagebuch 1947 dem Archiv der Zentralen Jüdischen Historischen Kommission und widmet sich der Wissenschaft.
Zofia Kossak-Szczucka wird 1945 von der kommunistischen Regierung gezwungen, das Land für 12 Jahre zu verlassen. 1946 beschreibt sie ihre Erinnerungen an den achtmonatigen Aufenthalt in Birkenau im Buch „Z otchłani – wspomnienia z łagru” („Aus dem Abgrund – Erinnerungen aus dem Lager“). Ihre Bücher sind im kommunistischen Polen bis 1957 verboten.
Franciszek Ząbecki arbeitet bei der Eisenbahn. Er gibt seine Erinnerungen 1977 heraus.
Alfreda Markowska und ihre Schatra werden von der kommunistischen Regierung gezwungen, sich in Gorzów Wielkopolski niederzulassen. Ihre Geschichte ist bis in die 1990er Jahre völlig unbekannt.
Tomasz Blatt bleibt im kommunistischen Polen. Er tritt der kommunistischen Partei bei und arbeitet 1948-49 für die polnische Staatssicherheit (UB). 1957 wandert er nach Israel aus. 1958 sagt er zum ersten Mal beim Kurt-Engels-Prozess in Hamburg aus.
Jakub Müller bleibt in Polen und gründet eine Schneiderwerkstatt. Er bettet Leichen aus Massengräbern um und bringt sie zum Friedhof in Nowy Sącz.
Verleugnung
Diese Phase tritt nach jedem Völkermord ein. Die Täter*innen verwischen ihre Spuren, lassen Beweise verschwinden und schüchtern Zeug*innen ein. Sie leugnen all ihre Verbrechen und beschuldigen oft die Opfer für das, was passiert ist. Sie behindern Ermittlungen und versuchen, sich so lange an der Macht zu halten, bis sie gewaltsam zum Rücktritt oder zur Flucht gezwungen werden. Nur gründliche, ehrliche Gerichtsverfahren und gerechte Strafen können die Straflosigkeit der Täter*innen und die Verleugnung des Verbrechens verhindern.
„Ich wohnte damals in der Nachbarschaft, in der Berek-Joselewicz-Straße. Da platzte der Gestapochef Heinrich Hamann mit seinem Gefolge rein, und sie schossen auf die Menschen, die nichtsahnend in ihren Betten lagen. Das war einfach nur ein grausamer Mord. Ich würde gerne ein Gebet für die Toten sprechen, aber wie, jetzt wo ich ganz alleine bin?“ Jakub Müller, Aussage über den Mord im Haus an der Franciszkańska-Straße
Krystyna Gil, geborene Ciuroń, wurde am 5. November 1938 in Szczurowa geboren. Vor dem Krieg lebten dort polnische, jüdische und Roma-Familien alle friedlich zusammen. Krystyna war Romni...
„so sind sie gut zu mir aber wenn sie erfahren was ich bin werde ich umgebracht… darf niemals sagen wer ich bin“
„Im kommunistischen Polen geriet Papa ins Visier, weil er in der Polnischen Sozialistischen Partei gewesen war, die antikommunistisch gesinnt war und nach der Unabhängigkeit Polens strebte – sagt Krystyna Sławik-Kutermak. – Wir haben gelernt, ihn so zu lieben: leise, heimlich, illegal. Doch plötzlich tauchte Zimmermann in unserer Wohnung in Kattowitz auf. Ein Mann, der nicht nur mit Papa zusammengearbeitet hatte, der nicht nur gesehen hatte, wie er Menschenleben rettete, sondern der von ihm voller Respekt und Rührung sprach. Der nicht flüsterte, keine Anspielungen machte, sondern es laut und gerade heraus sagte. Und plötzlich war das Verbotene nicht mehr verboten.“ Elżbieta Isakiewicz, Artikel in der „Gazeta Polska“, 20. August 2003