„Gewiss tragen die Mörder im Grunde genommen selbst die Verantwortung für die Ausrottung des gesamten polnischen Judentums; indirekt aber erstreckt sich diese Verantwortung auch auf die übrige Menschheit, auf die Völker und Regierungen der Alliierten, denn sie haben nicht einmal den Versuch unternommen, solche Verbrechen zu verhindern oder ihnen ein Ende zu bereiten.“ Szmul Zygielbojm

Szmul
Zygielbojm

Szmul Zygielbojm

Schritt 2 - Symbolisierung

„Gewiss tragen die Mörder im Grunde genommen selbst die Verantwortung für die Ausrottung des gesamten polnischen Judentums; indirekt aber erstreckt sich diese Verantwortung auch auf die übrige Menschheit, auf die Völker und Regierungen der Alliierten, denn sie haben nicht einmal den Versuch unternommen, solche Verbrechen zu verhindern oder ihnen ein Ende zu bereiten.“ Szmul Zygielbojm

Szmul Zygielbojm, geb. am 21.02.1895 in Borowica

Szmul Zygielbojm stammte aus einer armen und kinderreichen Familie. Deshalb musste er schon im Alter von 10 Jahren arbeiten und verpasste oft die Schule. Durch seine Wissbegierde holte er das Versäumte aber schnell nach. Er war ein guter Redner und hatte ein ausgeprägtes Organisationstalent. Das verhalf ihm zu einer politischen Karriere in Warschau und Łódź.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs half Szmul Zygielbojm beim Aufbau der jüdischen Widerstandsbewegung im Untergrund. Er protestierte außerdem offen gegen die Verordnungen des Dritten Reiches, unter anderem gegen die erzwungene Symbolisierung von Jüdinnen und Juden. Wenn das Tragen der Armbinde mit Davidstern angeordnet würde, meinte er, stünde auch weiteren Einschränkungen seitens der Besatzer nichts mehr im Wege. 1940 konnte er nach London fliehen. Dort wurde er Mitglied des Nationalrats von Polen. Unermüdlich leitete Szmul alle Informationen über den Holocaust in Polen weiter, die er vom polnischen Untergrund und von jüdischen Organisationen bekam. Er versuchte, die wichtigsten politischen und militärischen Entscheidungsträger zu erreichen, um auf dieses Verbrechen aufmerksam zu machen.

Nach der Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto fühlte Szmul Zygielbojm sich machtlos. Er beging am 11. Mai 1943 Selbstmord, um gegen die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber dem Holocaust zu protestieren. In seinem Abschiedsbrief schrieb er: „Ich kann das nicht stillschweigend hinnehmen. Ich kann aber auch nicht weiter leben, wenn dort noch die Reste des polnischen Judentums, dem anzugehören auch ich die Ehre habe, umkommen.“

Szmul Zygielbojm

Verordnung des Gouverneurs des Distrikts Warschau, Ludwig Fischer, die Juden und Jüdinnen zum Tragen bestimmter Symbole (des Davidsterns) verpflichtete. Quelle: Męczeństwo, walka, zagłada Żydów w Polsce 1939-1945, Wydawnictwo Ministerstwa Obrony Narodowej, Warschau 1960, Bild Nr. 46.
Verordnung des Gouverneurs des Distrikts Warschau, Ludwig Fischer, die Juden und Jüdinnen zum Tragen bestimmter Symbole (des Davidsterns) verpflichtete.
Quelle: Męczeństwo, walka, zagłada Żydów w Polsce 1939-1945, Wydawnictwo Ministerstwa Obrony Narodowej, Warschau 1960, Bild Nr. 46.
ein Junge, der im Ghetto Armbinden verkauft; Warschauer Ghetto; Quelle_ Nationale digitale Archive
Ein Junge, der im Ghetto Armbinden verkauft;
Warschauer Ghetto; Quelle Nationale digitale Archive
Warschauer Ghetto. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (Nationales Digitalarchiv)
Warschauer Ghetto.
Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (Nationales Digitalarchiv)
Abschiedsbrief von Szmul Zygielbojm. Quelle: Barbara Kirshenblatt-Gimblett, Antony Polonsky (Hrsg.), Polin. 1000 lat historii Żydów polskich, Warschau: Museum der Geschichte der polnischen Juden, 2014, S. 346
Abschiedsbrief von Szmul Zygielbojm.
Quelle: Barbara Kirshenblatt-Gimblett, Antony Polonsky (Hrsg.), Polin. 1000 lat historii Żydów polskich, Warschau: Museum der Geschichte der polnischen Juden, 2014, S. 346
Juden im Warschauer Ghetto. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (Nationales Digitalarchiv)
Juden im Warschauer Ghetto.
Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (Nationales Digitalarchiv)

Symbolisierung

In dieser Phase wird eine Gruppe gezwungen, Symbole zu tragen, die sie optisch von den anderen Gruppen unterscheiden. Zur Zeit des Holocaust mussten Menschen jüdischer Herkunft solche Symbole tragen. Je nach Land war es zum Beispiel ein gelber Davidstern, der auf die Kleidung genäht war, oder – wie im besetzten Polen – eine weiße Armbinde mit einem blauen Davidstern. Klassifizierung und Symbolisierung sind leider allgegenwärtig. Und sie können gefährlich werden, wenn sie von Hass und Entmenschlichung begleitet werden. Um der Symbolisierung entgegenzuwirken, sollten Hassrede und -symbole gesetzlich verboten werden.


Was ist der Bezug dieser Geschichte zu den Phasen des Völkermordes?

Szmul Zygielbojm lebte bereits vor dem Krieg nach sozialistischen Werten, kämpfte für die Rechte von sozialen Randgruppen und trat gegen gesellschaftliche Ausgrenzung ein. Auch im Krieg blieb er seiner Haltung treu. Er protestierte gegen die Symbolisierung von Jüdinnen und Juden, gegen die Isolierung in Ghettos und die Kennzeichnung mit dem Davidstern. Szmul verstand sehr wohl, dass es einen Unterschied gibt zwischen Symbolen, die man freiwillig trägt, und Symbolen, die aufgezwungen werden, um eine bestimmte Gruppe zu stigmatisieren.

Der Nationalrat von Polen war ein Beratungsorgan des polnischen Präsidenten und der sogenannten Exilregierung, die im Zweiten Weltkrieg in London tagte. Er wurde mit einem Dekret vom 9. Dezember 1939 von Präsident Władysław Raczkiewicz in Frankreich ins Leben gerufen und tagte 1939-1991. Der Rat zählte mehrere Dutzend Räte, darunter auch Vertreter der jüdischen Gemeinschaft. Er beschäftigte sich vorwiegend mit der internationalen Lage und der polnischen Außenpolitik.