„Die 1930er, das war eine Zeit der antisemitischen Hetze an den Universitäten. Es gab sogar ein ‚Bankghetto‘. Eine Freundin von mir hatte einen Stempel in ihrem Studienbuch, auf dem stand: ‚Darf nur links im Saal sitzen.‘ Die Nationaldemokraten machten Krawall, in Lwiw wurde ein Student getötet. Wenn man seinem Kind solche Schmäh ersparen wollte, schickte man es zum Studieren ins Ausland, dorthin, wo es nicht so teuer war, etwa nach Italien oder Belgien. Diese jungen Leute kamen dann zurück nach Lublin.“ Krystyna Modrzewska

Krystyna
Modrzewska

Krystyna Modrzewska

Schritt 3 - Diskriminierung

„Die 1930er, das war eine Zeit der antisemitischen Hetze an den Universitäten. Es gab sogar ein ‚Bankghetto‘. Eine Freundin von mir hatte einen Stempel in ihrem Studienbuch, auf dem stand: ‚Darf nur links im Saal sitzen.‘ Die Nationaldemokraten machten Krawall, in Lwiw wurde ein Student getötet. Wenn man seinem Kind solche Schmäh ersparen wollte, schickte man es zum Studieren ins Ausland, dorthin, wo es nicht so teuer war, etwa nach Italien oder Belgien. Diese jungen Leute kamen dann zurück nach Lublin.“ Krystyna Modrzewska

Krystyna Modrzewska (geborene Mandelbaum), geb. am 14.09.1919 in Warschau

Krystyna Modrzewska kam aus einer jüdischen Familie, die der Intelligenzia angehörte. Sie waren assimiliert, d. h. sie hatten die Lebensweise der Mehrheitsgesellschaft angenommen. Krystyna wuchs zuerst in Warschau und dann in Lublin auf. Ihr Vater war ein angesehener Arzt. Sie besuchte ein Elitegymnasium, in dem patriotische Werte vermittelt wurden. Das beeinflusste auch ihre spätere Haltung. 1937 ging sie nach Bologna, um Anthropologie zu studieren. Im Laufe des Studiums ließ sie sich taufen und nahm die römisch-katholische Religion an. Als Krystyna die Sommerferien 1939 in Lublin verbrachte, brach der Zweite Weltkrieg aus. Sie konnte nicht mehr zurück an die Universität. Sie und ihre Mutter wurden gezwungen, ihr Haus zu verlassen. Um ihre Überlebenschancen zu erhöhen, änderte sie ihren Nachnamen in Modrzewska. Sie nahm verschiedene Gelegenheitsjobs an, von einfachen körperlichen Arbeiten bis zu einer Stelle im Amt. Dort hatte sie Zugang zu wichtigen Informationen und Unterlagen, die sie an die Heimatarmee weiterleitete. Sie selbst war Mitglied der Heimatarmee, Deckname „Kret“, und betrieb in den Jahren 1941-1943 Wirtschaftssabotage. So widersetzte sie sich aktiv der Diskriminierung.

Krystyna Modrzewska verlor im Krieg fast alle Angehörigen. Trotz vieler Schicksalsschläge kehrte sie 1944 mit ihrer Mutter nach Lublin zurück. Nach dem Krieg verschrieb sie sich der Wissenschaft. Sie promovierte in Naturwissenschaften und bekam eine Stelle an der Universität. Gleichzeitig studierte sie auch Medizin und erhielt 1955 ihr Arztdiplom sowie den Dozententitel. In den 1960er Jahren erschienen ihre Tagebücher und persönliche Prosatexte unter dem Künstlernamen Adam Struś. Infolge der antisemitischen Hetze und Diskriminierung in ihrem beruflichen Umfeld wanderte sie 1970 nach Schweden aus. Diese Entscheidung fiel ihr schwer. Wie sie selbst sagte: „Nicht ich habe das Land verlassen, das Land hat mich verlassen.“ In Schweden änderte Krystyna ihren Nachnamen ein zweites Mal. Diesmal nahm sie den Mädchennamen ihrer Mutter an. Das war gleichzeitig auch der Nachname ihrer Angehörigen, die in Treblinka ums Leben gekommen waren. Als Krystyna Frenkiel arbeitete sie als Genetikerin. 1980 promovierte sie ein zweites Mal. Ein Jahr später wurde ihr an der Universität von Uppsala die Habilitation verliehen.

In ihren Tagebüchern schrieb sie über das Gefühl, anders und fremd im eigenen Körper zu sein, das sie seit der Pubertät begleitete. Nach 1989 reiste Krystyna Modrzewska regelmäßig nach Polen, meistens nach Lublin. Sie starb am 28. August 2008.

Krystyna Modrzewska (geborene Mandelbaum) als Kind. Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska (geborene Mandelbaum) als Kind.
Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska mit ihrer Mutter. Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska mit ihrer Mutter.
Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska mit ihrer Mutter. Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska mit ihrer Mutter.
Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska. Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Krystyna Modrzewska.
Quelle: Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels, die Szeroka-Straße im Jahre 1943. Quelle: Sammlung von Symcha Wajs;
Überreste des jüdischen Viertels, die Szeroka-Straße im Jahre 1943.
Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels, die Zamkowa-Straße. Quelle: Sammlung von Symcha Wajs;Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels, die Zamkowa-Straße.
Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels,Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels,
Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels,Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Überreste des jüdischen Viertels,
Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Ein Brunnen im Ghetto. Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Ein Brunnen im Ghetto.
Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Ein Brunnen im Ghetto. Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"
Ein Brunnen im Ghetto.
Quelle: Sammlung von Symcha Wajs; Fotoarchiv des Zentrums "Brama Grodzka - Teatr NN"

Diskriminierung

Von Diskriminierung sprechen wir, wenn ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen in einer bestimmten Situation schlechter als andere behandelt wird oder aufgrund einer oder mehrerer Eigenschaften (z. B. Geschlecht, Hautfarbe, Ethnie, Nationalität, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung oder andere) gesellschaftlich ausgeschlossen wird.
Die Ideologie der dominanten Gruppe baut dabei meistens auf bestehenden Vorurteilen, Klischees und Ängsten auf. Dadurch gewinnt sie Akzeptanz in der Gesellschaft und kann sich an der Macht halten.
Auch der Diskriminierung kann entgegengewirkt werden. Dazu müssen alle sozialen Gruppen die gleichen Rechte haben und diese Rechte auch vor Gericht geltend machen dürfen. Außerdem sollte Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Ethnie usw. gesetzlich verboten werden.


Was ist der Bezug dieser Geschichte zu den Phasen des Völkermordes?

Krystyna Modrzewska kam aus einer assimilierten Familie und war Tochter eines angesehenen Arztes. Daher konnte sie eine Zeitlang in einer Art „Schutzblase“ leben. Doch als die antisemitischen Ressentiments der Vorkriegszeit anstiegen und später der Krieg ausbrach, wurde auch sie Opfer von Diskriminierung. Sie liebte ihre polnische Heimat und wollte für diese kämpfen, doch für ihre Befehlshaber war ihre jüdische Herkunft Grund genug, ihr das zu verweigern. Auch auf der persönlichen Ebene wurde Krystyna diskriminiert. Als Transsexuelle fand sie kein Verständnis bei ihrer Familie und in der Gesellschaft, als Wissenschaftlerin – in der akademischen Welt.

Die Heimatarmee, poln. Armia Krajowa (AK), war eine militärische Organisation, die im Untergrund agierte und die Unabhängigkeit Polens anstrebte. Sie war Teil der polnischen Streitkräfte und unterstand dem Obersten Befehlshaber der Armee sowie der polnischen Exilregierung. Die Organisation wurde am 14. Februar 1942 auf Befehl des Obersten Befehlshabers Władysław Sikorski gegründet. Sie ging aus dem Verband für den bewaffneten Kampf (Związek Walki Zbrojnej, ZWZ) hervor. Die Heimatarmee agierte in den von Deutschland und der Sowjetunion besetzten Gebieten der früheren Republik Polen.